| Führen in stürmischen ZeitenDie Zeiten ruhigen Fahrwassers für Führungskräfte sind wohl auf absehbare Zeit vorbei. Vorbei die Zeit, als kooperative Führung als die einzig wahre galt und Unternehmensveränderungen in Organisationsentwicklungsprojekten unter Einbeziehung der Betroffenen vorbereitet wurden. Vorbei die Zeit der Kruppianer, der Siemensianer oder der Banker, die sich in ihren Unternehmen zuhause und geschützt fühlten.
Heute findet Führung immer öfter im Sturm statt. Der weht meistens von oben. Aber was können Führungskräfte des oberen und mittleren Managements in solchen Situationen tun? Wie können sie ihrer Verantwortung für das Unternehmen und die Mitarbeiter gerecht werden?
Was macht man denn im Sturm, in den Bergen, an der See oder gar auf See? Halt suchen, fest stehen, anseilen, einen Unterschlupf suchen, ins Haus gehen. Wir wollen überleben, denken an die eigene Sicherheit, gehen der Gefahr aus dem Wege. Aber gibt es auch Situationen, in denen wir trotzdem hinaus - in den Sturm - gehen? Natürlich gibt es die: Immer dann, wenn jemand, der uns nahe steht, in Gefahr ist, gehen wir hinaus und helfen. Die nachbarschaftliche Hilfe, die immer wieder bei Naturkatastrophen entsteht, zeigt das, auch wenn wir uns das im anonymen Alltag nicht vorstellen können und auch wenn die Zivilcourage bei den Menschen unterschiedlich ausgeprägt ist. Denn dazu brauchen wir Verantwortung, Mut, Herausforderung und vielleicht auch Lust. Und wir brauchen die richtige Kleidung, das richtige Werkzeug.
So auch in der Führung. Verantwortung gehört zu Führung und Führungskräfte haben die Verantwortung, auch in stürmischen Zeiten zu führen. Was erwarten denn die Mitarbeiter von ihren Führungskräften in stürmischen Zeiten? Sie brauchen Rückhalt, sie suchen nach Orientierung. Sie wollen in Kontakt sein, auch wenn keine Lösung angeboten werden kann. Sie wollen vor allem Ehrlichkeit über den Ernst der Situation. Und sie wollen keine Ausreden: der unfähige Vorstand, die überzogenen Unternehmensziele, die Fokussierung auf die Börse zu Lasten der Mitarbeiter. Das alles hilft dem Bereichsleiter, dem Abteilungsleiter oder auch dem Gruppenleiter alleine nicht. Er muss trotzdem herausfinden, was er in seiner Situation tun kann.
In den siebziger und noch in den achtziger Jahren setzte sich die Empfehlung für den passenden Führungsstil in jeder Situation aus der Kombination von Orientierung auf den Menschen, also auf Beziehung einerseits und der Orientierung auf die Zielerreichung und Produktivität andererseits zusammen. Je nachdem, wie stark die Ausprägung der beiden Achsen in der Kombination war, ergab sich ein Führungsstil zwischen „Laissez-faire“, Autoritärer Führung und kooperativer Führung. Nachdem lange der kooperative Führungsstil als der erstrebenswerte galt, wurde dann der der jeweiligen Situation angepaßte Führungsstil, das „situationsgerechte Führen“ zum Non-plus-ultra der Führungsempfehlung. Diese Stilempfehlungen hatten ein Manko: sie waren allein auf das Verhalten des Führenden und der Geführten abgestellt und berücksichtigten in keiner Weise die gesamthafte Führungssituation, in der er sich befand. Im Wechselspiel der Rahmenbedingungen einer Organisation reichte die Ausrichtung auf einen persönlichen Führungsstil nicht weiter, um der eigenen Führungsaufgabe gerecht zu werden.
Die systemische Führung (Quelle: www.wikipedia.de „Systemische Führung“) berücksichtigt ganzheitlich alle Interaktionen zwischen Führungskräften, Mitarbeitern, Kollegen, Kunden, Lieferanten, Finanziers, Markt, Gesellschaft, Kultur und Umwelt. Sie ist skeptisch gegenüber gezielten Führungsinterventionen, weil in komplexen Systemen das Zulassen und Fördern von Selbstorganisation ebenfalls - oder sogar mehr - Erfolg verspricht. Die Führungskraft ist nur eine der vielen Kontextfaktoren, die auf die Geführten wirken.
Systemische Ansätze der Führung sind ein "frontaler Angriff" gegen das traditionelle Führungsverständnis. Das Bild vom Manager als der dominante Macher, der auf Grund seines hierarchischen Einflussmonopols das Unternehmen steuert, wird ersetzt durch eine Orientierung an autonomen, verstreuten, selbständigen, selbst organisierten Subsystemen. In der Führungsforschung werden zwar schon seit langem partizipative Stile, teilautonome Gruppen, lockere Kontrolle etc. empfohlen, um die negativen Folgen direktiver Übersteuerung und Überregulierung zu vermeiden. Diese Lösungsvorschläge stützen sich aber meist auf die Human-Relations-Philosophie mit den Zielen Selbstverwirklichung, besseres Betriebsklima, Vertrauen, etc. und darauf aufbauend Leistungsverbesserung. Der systemische Ansatz betrachtet Organisationen als Systeme, die nie vollständig „von oben“ durchorganisiert sein können.
Manche Experten negieren die Möglichkeit systemischen Führens. Die Umsetzung systemtheoretischer Konzepte im Management gestaltet sich oft schwierig, da Sichtweise und Denkinstrumente der Systemtheorie sich nicht mit dem Alltagsverständnis (kausales Denken) und den gelernten Wahrnehmungsmustern von Managern decken. „Einfache Erklärungen haben größeren Appeal als der Verweis auf komplexe und komplizierte, "undurchschaubare" Zusammenhänge“. Oft wird der Manager immer noch als „Lenker oder Macher“ gesehen.
Eine Konsequenz der systemischen Führung in dem zitierten Sinne ist, dass jedes Unternehmen in seiner Gesamthaftigkeit und Besonderheit betrachtet werden muß. Jede Organisation, jedes Unternehmen hat eine andere Identität. Diese wird geprägt durch die jeweiligen Visionen und Strategien, die Branche, die wirtschaftliche Situation, die Unternehmenskultur, das Alter der Organisation und anderes. Die Identität eines High-Tech-Unternehmens unterscheidet sich von der einer Bank oder eines Medienunternehmens. Die Struktur einer Organisation reicht von der reinen Bürokratie bis zum kreativen Chaos. Während Struktur den einen als Orientierung dient, ist sie für andere Einschränkung. Damit sind wir bei den unterschiedlichen Menschen und Gruppen. Man muss sich nur einmal in einer Technischen Hochschule einerseits und einer geisteswissenschaftlichen Universität andererseits umsehen, um festzustellen, wie unterschiedliche Themen bestimmte Arten von Menschen anziehen. Das ist verallgemeinernd, zugegeben, im Einzelfall auch häufig anders, aber trotzdem kann man gruppenspezifische Besonderheiten leicht feststellen. Einzelfunktionen sind in jeder Organisation sehr unterschiedlich definiert, vom Buchhalter bis zum Verkäufer. Die Prozesse in jeder Organisation unterscheiden sich außerordentlich, von der logischen Prozesskette bis zum kreativen Chaos. Last not least unterscheiden sich die physischen Mittel, die jeder Organisation zur Verfügung stehen, dramatisch. Das alles sind nur Merkmale des Innensystems; ergänzt wird es durch sehr unterschiedliche Beziehungen der einen Organisation nach außen, zu Kunden, den Eigentümern, Behörden, dem privaten Umfeld der Mitarbeiter.
Diese Wesenselemente und ihre wechselseitigen Verflechtungen zeigen das systemische Umfeld, in dem sich die Führungskraft bewegt. Da reichen bestimmte Führungsstile alleine nicht, der Manager bewegt sich in einem Sturm der Module und soll trotzdem der Verantwortung, die an ihn gestellt wird, erfüllen. Um diese Anforderungen zu sehen, ist es zu wenig, seine Position im klassischen Stab-Linien-Organigramm zu untersuchen, auch seine inhaltlichen Aufgaben zu definieren, greift zu kurz. Seine Einbettung und die Anforderungen an ihn oder sie müssen gesamthaft oder somit systemisch betrachtet werden.
Ein erster Ansatz dieser Betrachtung ist der Versuch, die einzelne Führungskraft in ihren personellen Verflechtungen zu sehen. Dabei hilft z.B im Einzelcoaching oder im Seminar eine aus der Psychotherapie entlehnte Aufstellung dieses Beziehungsgeflechts. Darin werden möglichst viele Verbindungen der oben angeführten Wesenselemente der Organisation aufgezeigt und in ihrer Wirkung bewertet.
Ist dieses Geflecht erst einmal deutlich, kann im nächsten Schritt herausgefunden werden:
„womit muss er/sie leben, was kann er/sie beeinflussen?“ „wo stecken Verbesserungspotentiale?“ „was kann konkret geschehen?“
Es macht natürlich nur Sinn, sich diese Fragen zu stellen, wenn man grundsätzlich bereit ist, in der Organisation, die sich im Sturm befindet, zu bleiben. Der Ausstieg aus einer Organisation kann für den einzelnen eine sinnvolle Alternative sein.
Stürmische Zeiten sind Zeiten der Veränderung. Veränderungen sind normaler Bestandteil des Lebens. Leben ist Veränderung. Stillstand und Statik findet man in Wirklichkeit kaum. Allerdings ist die Empfindung der Menschen heute so, dass die Häufigkeit und Wirkung von Veränderungen zunimmt. Zumindest neigen wir heute zu dieser Annahme. Wenn man sich aber die Entwicklung der Menschen geschichtlich betrachtet, hat es schon immer sehr einschneidende Veränderungen gegeben. Kriegerische Ereignisse wie z.B. der dreißigjährige Krieg oder auch die industrielle Revolution haben das Leben dramatisch verändert. Aber die Veränderungsgeschwindigkeit hat sich dramatisch beschleunigt. Entscheidend für die Wirkung von Veränderungen ist auch eher die subjektive Wahrnehmung als die objektiv richtige Einschätzung.
"Im Leben gibt es keine Lösungen. Es gibt nur Kräfte, die in Bewegung sind. Man muss sie erzeugen und die Lösungen werden folgen." (St.-Exupery)
Das heißt, während bei klassischen Ingenieuraufgaben, wie dem Bau einer Brücke, die Konstruktion vor Baubeginn konzeptionell vollständig durchdacht werden muss und kann, ist das im Leben etwas anders. Das Leben lässt sich nicht im Hinblick auf Lösungen planen. Man kann die Richtung suchen und die nächsten Schritte festlegen und die Hoffnung und das Vertrauen entwickeln, dass man bei neuen Erkenntnissen die Richtung bestätigen oder korrigieren kann. Eine Organisation ist in diesem Sinne auch ein Lebewesen und einer permanenten Entwicklung unterworfen.
Es gibt verschiedene Modelle, die Veränderungsprozesse darstellen. Sie alle beschreiben Veränderungen und ihre Wirkungen in verschiedenen Phasen des Veränderungsprozesses.
Grundsatz der folgenden Überlegungen ist, dass die Veränderungen im Grundsatz vernünftig und richtig sind, zumindest aber nicht zu verhindern sein werden: ( Bönning / Fritschle, "Veränderungsmanagement", Haufe Verlag)
Die sieben Phasen von Veränderungsprozessen:
Phase 1: Schock /Überraschung
Sie beschreibt die erste Reaktion auf eine neue Situation. Im Extrem: Die Person/das Unternehmen wirkt wie "gelähmt" und erscheint unfähig, mit der Situation zurechtzukommen. Somit sinken die Aktivitäten und das Zutrauen in die eigene Kompetenz. Führungskräfte sollten diese Reaktion akzeptieren, aber ehrlich über die Wahrheit informieren, zuhören, menschlich mitgehen.
Phase 2: Verneinung
Die Situation wird als nicht wesentlich von der alten bewertet. Altbewährte Verhaltensweisen werden beibehalten. Ein Gefühl des Besserwissens stellt sich ein, Aktivitäten und Kompetenzgefühl steigen. Auf der Basis der Erkenntnis, dass die Veränderung nicht zu verhindern sein wird, können Führungskräfte diesen Erkenntnisprozess durch weitere Informationen fördern. Diese Phase braucht auch Geduld.
Phase 3: Einsicht
Die wesentliche Einsicht ist die Einsicht in die eigene Unfähigkeit / die eigenen Fehler oder in die Unabwendbarkeit der Veränderungen. Fertigkeits- und Kompetenzmängel sorgen für Frustration. Der Weg zur Steigerung / zum Finden der Problemlösung ist noch nicht bekannt. Führungskräfte sollten einfach da sein, durchaus die Mitarbeiter mit der Unabwendbarkeit konfrontieren. Sie müssen sich gerade in dieser Phase auch um sich selbst kümmern, denn sie sind selber ebenfalls von dieser Veränderungskurve betroffen.
Phase 4: Akzeptanz
Die Realität wird als veränderte Situation akzeptiert. Gewohnte Handlungsmuster müssen abgelegt werden. Neue Einstellungen und Fähigkeiten werden entwickelt und in einer Experimentierphase ausgebaut. Jetzt heißt es nach vorne schauen, Führungskräfte leben vor und schieben an.
Phase 5: Ausprobieren
Neue Verhaltensweisen der Unternehmensmitglieder werden in verschiedenen Situationen ausprobiert. Über Erfolge und Misserfolge beim Experimentieren wird neue Kompetenz erlernt. Als Konsequenz des Erlernten werden neue Wege/Strategien umgesetzt. Führungskräfte unterstützen als Prozessgestalter diesen Prozeß. Sie verteilen Aufgaben und helfen.
Phase 6: Erkenntnis
Die Gründe für die Erfolge und Misserfolge beim Ausprobieren werden erkannt. Diese Gründe werden reflektiert. Das angemessene Verhalten für die neue Situation / Aufgabe kann erlernt und bewusst eingesetzt werden. Führungskräfte loben und stärken. Sie stellen eine Gemeinsamkeit her.
Phase 7: Integration
Aus dem bisher Gelernten bilden sich Erfolgs- und Misserfolgsrezepte. Regeln für ähnliche Aufgaben / Anforderungen werden aufgestellt. „Normale“ Führungsarbeit stellt sich ein, bis zum nächsten Veränderungsprozess.
Vielleicht die schwierigste Aufgabe für das mittlere Management ist in diesen stürmischen Zeiten der Umgang mit den Widerständen ihrer Mitarbeiter gegen Neues und gegen Veränderungen. Diese werden insbesondere in der Phase 2 - Verneinung wirksam. Sie zeigen sich aktiv durch Widerspruch und Gegenargumentation, aber auch Vorwürfen bis hin zu Drohungen. Häufig ist Polemik im Spiel. Aber auch ein sturer Formalismus ist eine spezielle Form des Widerstands gegen Veränderungen. Widerstände äußern sich aber auch durch allgemeine Aufregung und Unruhe, Anhäufung von Streitereien, Gerüchtebildung und Intrigen. All das sind aktive Symptome. Schwieriger für Führungskräfte zu erkennen sind die indirekten Symptome, die sich in ausweichenden Stellungnahmen, Bagatellisieren und Blödeln, aber auch in Lustlosigkeit und Unaufmerksamkeit zeigen. Letztlich endet mancher dieses Widerstandsverhaltens in Krankheit und innerer Kündigung.
Aber Widerstände sind gerade in solchen Zeiten normal. Die Mitarbeiter versuchen sich zu schützen. Wahrscheinlich gibt es keine Veränderung ohne Widerstand. Die Mitarbeiter signalisieren mit ihren Widerständen ihre Ängste. Durch die Gefährdung von Selbstachtung, der sozialen Zugehörigkeit und Achtung und nicht zuletzt von Wohlbefinden und Gesundheit, entstehen Widerstände. Wenn Führungskräfte das nicht sehen oder nicht beachten, werden die Blockaden der Mitarbeiter immer größer. Deshalb sollte man mit dem Widerstand, nicht gegen ihn gehen, Druck wegnehmen, dem Widerstand ruhig Raum geben; in Gesprächen die Hintergründe ansprechen. Durch Argumentation über Sinn und Zweck von Veränderungen, individuellen Gestaltungsmöglichkeiten, Absprachen über Zeithorizonte und Schulung helfen, die Widerstände aufzulösen. Widerstände können viel Energie freisetzen. Kluge Vorgesetzte gehen mit dieser Energie, nicht gegen sie.
Die Einwände, die immer wieder von Führungskräften des mittleren Managements geäußert werden, gehen in die Richtung wie: „ich kann doch nicht so wie ich will.“ „mir fehlen die wichtigsten Informationen.“ „ich habe keinen Spielraum.“ „meine Ressourcen reichen nicht aus.“ und so weiter. Das Dilemma hat aber jeder. Auch Vorstände sind nicht frei in ihren Entscheidungen. Sie müssen sich mit den Kollegen auseinandersetzen, brauchen die Zustimmung von Aufsichtrat und Inhabern und nicht zuletzt müssen die Entscheidungen zumindest in Unternehmen von öffentlichem Interesse vor der Presse standhalten. Die Einwände bezogen auf die eigene Handlungsbegrenzung sind nicht neu:
"Man gibt immer den Verhältnissen die Schuld für das, was man ist. Ich glaube nicht an die Verhältnisse. Diejenigen, die in der Welt vorankommen, gehen hin und suchen sich die Verhältnisse, die sie wollen, und wenn Sie sie nicht finden können, schaffen sie sie selbst." (G.B. Shaw)
Die Spielräume für eigenes Handeln sind unterschiedlich, aber wer erkennt, was er akzeptieren muss und was er beeinflussen und steuern kann, ist entschieden im Vorteil. Dass dieses Wechselspiel von Unternehmensvorgaben und Ausloten der eigenen Spielräume sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter weiterbringen kann, beschreibt Prof. Christian Scholz von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken in seinem Modell. „Darwiportunismus“, einem Kunstwort aus Darwinismus und Opportunismus.
Die Logik des Modells:
• Unternehmen entwickeln sich evolutionär! (Darwinismus) • Aber sie lassen sich auch beeinflussen! (Opportunismus)
Die Beeinflussung des Unternehmens durch verschiedene Größen, nicht zuletzt durch Führungskräfte, führen erst zu einer evolutionären Entwicklung.
Dieser Vorgang trifft auch auf die persönliche Entwicklung von Menschen zu: Wir entwickeln uns evolutionär, indem wir uns beeinflussen lassen. Wer im Schema evolutionärer Praktiken taktiert und gegebenen Situationen anzupassen weiß, der kann als Mitarbeiter und Unternehmen überleben. Wer sich evolutionären Verhaltensmustern widersetzt oder sie verleugnet, der wird verlieren.
Das kann man beklagen, aber trotzdem ist es so. Darwinismus und Opportunismus sind zwar sozial geächtet, aber existent und wirksam. Insbesondere der Begriff Opportunismus im Sinne von Anpassung ist eher negativ besetzt. Aber unser Leben ist zu einem großen Teil durch Anpassungsprozesse bestimmt. Opportunismus im wohl verstandenen Sinne eröffnet auch Spielräume. Wer das Positive in dieser Situation sehen kann, der hat faszinierende Möglichkeiten.
Opportunistisches Verhalten macht letztlich nur Sinn in Kombination oder als Grundlage einer evolutionären Entwicklung. Ansonsten bedeutet es Stillstand oder führt nur zur Beschäftigung mit sich selbst. Ohne ein opportunistisches Verhalten der Mitarbeiter führen Veränderungsentscheidungen des Top-Managements lediglich zu einer formalen Entwicklung ohne Identifikation. Erst die Kombination bringt eine Organisation weiter.
Führen in stürmischen Zeiten heißt also:
• Klärung der Rahmenbedingungen.
• Entdecken der eigenen Handlungsspielräume.
• Entscheidung über das eigene Engagement in der Organisation oder Verlassen der Organisation.
• Verantwortung annehmen.
• Systemische Führung, jede Führungsaktivität bewegt sich im Gesamtkontext der vernetzten Organisationsstruktur.
• Führungsaktivitäten, die die einzelnen Phasen von Veränderungsprozessen positiv begleiten.
• Sinnvolles Umgehen mit Widerständen.
• Grundsätzlich mit der Energie, nicht gegen die Energie gehen.
Es ist zu befürchten, dass die stürmischen Zeiten in unserer Wirtschaft anhalten werden. Auch in Zukunft werden Mitarbeiter nicht alle Entscheidungen ihrer Vorstände nachvollziehen und schon gar nicht ändern können. Aber trotzdem, jede Führungskraft hat einen Entscheidungsspielraum und dafür eine Verantwortung. Und wenn sie in dem Gesamtkontext weiter mitwirken will, dann muss sie die Verantwortung annehmen und der Entscheidungsspielraum ist oft größer als es den Anschein hat. Führung muß eine Herausforderung sein, sonst wäre sie nicht mehr etwas Besonderes!
Rainhard Hahn
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